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BFH korrigiert erbschaftsteuerlichen Freibetrag bei der Errichtung von Familienstiftungen

In einem aktuellen Urteil des BFHs vom 28. Februar 2024 (AZ. II R 25/21) hat dieser entschieden, dass beim Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung für die Ermittlung des erbschaftsteuerlichen Freibetrages auch auf noch ungeborene – lediglich potenzielle Begünstigte – abzustellen ist. Unerheblich sei, ob die Person zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren ist, jemals geboren wird und tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird, solange sie laut Satzungszweck begünstigt wird.

13.06.2024
Stiftungs- und Verbandsrecht
I. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde

Ein Ehepaar errichtete eine Familienstiftung, in welche es ein Grundstockvermögen in Höhe von EUR 443.051,00 einbrachte. Als Zweck der Stiftung sahen Satzung und Stiftungsgeschäft vor: Die angemessene Versorgung der Stifter selbst, die angemessene finanzielle Unterstützung der Tochter der Stifter sowie die angemessene finanzielle Unterstützung weiterer Abkömmlinge des Stammes der Stifter, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation. Das zuständige Finanzamt sah bei der Festsetzung der Schenkungssteuer für die Übertragung des Vermögens auf die Stiftung als „entferntest Berechtigten“ nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) die „weiteren Abkömmlinge“ an. Als Konsequenz wurde lediglich ein Freibetrag von EUR 100.000,00, welcher grundsätzlich für Urenkel gilt, berücksichtigt. Die Ehefrau erhob daraufhin Klage vor dem Finanzgericht mit dem Ziel, als „entferntest Berechtigte“ die gemeinsame Tochter anzusehen, für die ein Steuerfreibetrag von EUR 400.000,00 gelten würde. Das Finanzgericht wies die Klage ab und gab dem Finanzamt recht. In der Revision vor dem BFH machte die Klägerin geltend, fiktive Enkel und Urenkel seien zwar theoretisch begünstigt, aber erst nach dem Tod der Tochter. Falls niemals Enkel geboren werden würden, müsste es zu einer Rückerstattung der Schenkungssteuer kommen. Aktuelle Begünstigte seien lediglich die Ehepartner sowie die gemeinsame Tochter.

Der BFH folgte dieser Argumentation nicht, sondern schloss sich der Sicht des Finanzgerichts an.

II. Gesetzliche Grundlagen

Die Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung unterliegt grundsätzlich der Schenkungssteuer, für die unterschiedlich hohe Freibeträge angesetzt werden können. So gilt für Kinder der Stifter ein Freibetrag von EUR 400.000,00, während der Freibetrag für Urenkel lediglich EUR 100.000,00 beträgt. Das Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sieht in § 15 Abs. 2 S. 1 vor, dass bei der Festsetzung der Schenkungssteuer das Verwandtschaftsverhältnis desjenigen zugrunde zu legen ist, der nach der Stiftungsurkunde (Satzung) der „entferntest Berechtigte“ zu dem Erblasser (Stiftung von Todes wegen) oder Schenker (Stiftung unter Lebenden) ist. Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich also nach dem satzungsgemäß Begünstigten, der am entferntesten mit dem Stifter verwandt ist.

III. Rechtliche Würdigung

Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass für die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ nicht erheblich sei, dass eine Urenkelgeneration bei Errichtung der Stiftung noch nicht geboren ist. Ebenso wenig komme es darauf an, ob mögliche Urenkel tatsächlich jemals finanzielle Unterstützung aus der Stiftung erhalten werden. Vielmehr sei die Formulierung des „entferntest Berechtigten“ dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige bezeichnet wird, der nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten soll. Dieser müsse im Zeitpunkt der Errichtung der Familienstiftung noch nicht geboren bzw. unmittelbar bezugsberechtigt sein. Ausreichend sei es, wenn er es erst in der Generationenfolge wird. Würde man im Zeitpunkt der Übertragung des Vermögens auf die Familienstiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG) als Steuerentstehungszeitpunkt (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), Steuerklasse und Freibetrag danach anwenden, ob die Abkömmlinge bereits geboren sind, entstünde eine Überprivilegierung, wenn später weitere Abkömmlinge geboren werden, die dann auch finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen können. Unabhängig von der Frage, ob die Rückgängigmachung dieser Überprivilegierung gesetzlich überhaupt möglich wäre, würde dies eine Überwachung der Familienstiftung gegebenenfalls über einen bestimmten Zeitraum voraussetzen. Eine solche sei in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG aber nicht angelegt.

Ob in dem Fall, dass niemals Enkel geboren werden, eine Rückerstattung zu erfolgen habe, ließ der BFH offen.

IV. Praxishinweise

Die Tragweite dieses Urteils für die Besteuerung von Familienstiftungen bei deren Gründung ist enorm. War vorher eine möglichst weitgefasste Satzungsgestaltung zu empfehlen, um die Versorgung auch künftiger Generationen sicherzustellen, sollte dies nun gut überlegt sein. Gerade bei großen Vermögen, die geeignet wären, auch Enkel- und Urenkelgenerationen zu begünstigen, ist eine steuerliche Privilegierung nun stark eingeschränkt.

Gern beraten wir Sie rechtlich als auch steuerlich rund um das Thema Familienstiftungen, Gestaltungsmöglichkeiten und Gründung.

Wir beraten persönlich.

Ihre Ansprechpartner
Dr. Almuth Werner
Dr. Almuth Werner

Partnerin, Rechtsanwältin

Andrea Kleinschnitz
Andrea Kleinschnitz

Associate, Rechtsanwältin

Enrico Klar
Enrico Klar

Senior Associate, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e. V.)

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