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BGH übernimmt Rechtsprechung zur Vorsatz- und Irrtumsproblematik bei der Steuerhinterziehung für Sozialversicherungsbeiträge (BGH, Beschluss vom 24. September 2019, 1 StR 346/18)

Haftungserleichterungen für Arbeitgeber bei unzutreffender Einordnung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als selbständige Tätigkeit.

23.01.2020

1. Bisherige Rechtslage

Schätzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis unzutreffend als selbstständige Tätigkeit bzw. freies Dienstverhältnis und damit als sozialversicherungsfrei ein, läuft der Arbeitgeber nicht nur Gefahr, im Nachhinein Sozialversicherungsbeiträge für die Vergangenheit in erheblichen Größenordnungen nachzuzahlen. Es stellt sich dann auch die Frage einer eventuellen Strafbarkeit. Denn nach § 266 StGB macht sich strafbar, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorenthält.

Bisher sah der BGH in dem Irrtum eines Arbeitgebers über seine Arbeitgeberstellung einen sogenannten Verbotsirrtum. Dieser führte grundsätzlich zur Strafbarkeit, es sei denn, der Betroffene konnte nachweisen, dass sein Irrtum unvermeidbar war. Exkulpieren konnte sich der Arbeitgeber nur im Ausnahmefall; nämlich, wenn er zum Beispiel nachweisen konnte, die Fragen der Sozialversicherungspflicht des Arbeitsverhältnisses rechtlich prüfen gelassen zu haben.

2. Neu: Aufgabe der Rechtsprechung zum Verbotsirrtum

Diese Rechtsprechung hat der BGH mit Beschluss vom 24. September 2019, 1 StR 346/18, aufgehoben.

Irrt der Arbeitgeber nunmehr über seine Arbeitgeberstellung, so liegt nach der neuen Rechtsprechung des BGH ein sogenannter Tatbestandsirrtum vor. Vorsätzliches Handeln bei pflichtwidrig nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen ist nur noch dann anzunehmen, wenn der Betroffene seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen hat (vgl. Leitsatz, BGH Beschluss vom 24. September 2019, 1 StR 346/18).

3. Fazit

Entwarnung kann mit dieser Entscheidung nicht gegeben werden. Denn die fehlerhafte Einschätzung eines Beschäftigungsverhältnisses als nichtversicherungspflichtig bleibt auch weiterhin strafrechtsrelevant. Beauftragt der Arbeitgeber einen vermeintlich Selbstständigen, ohne sich Gedanken über dessen Status zu machen, besteht die Gefahr, strafrechtlich belangt zu werden. Trotz der Übertragung der Rechtsprechung des BGH zur Irrtumsproblematik bei der Steuerhinterziehung auf die Sozialversicherungsbeiträge wird auch in Zukunft der Weg über ein Statusfeststellungsverfahren bzw. über die Einholung von Rechtsrat unerlässlich bleiben.

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Nicole Jochheim
Nicole Jochheim

Senior Associate, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Fachanwältin für Sozialrecht

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