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Der BGH hat die Möglichkeit der Absichtsanfechtung im Sanierungsfall konkretisiert

Mit seinem Urteil bestätigt der Bundesgerichtshof (BGH), dass ein schlüssiges Sanierungskonzept eine Anfechtung gem. § 133 InsO u.U. entfallen lassen kann.

21.11.2022

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Über das Vermögen einer AG wurde aufgrund eines Eigenantrags vom 27.6.2014 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzschuldnerin hatte die Beklagte, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, mit der Prüfung der zurückliegenden Jahres- und Konzernabschlüsse sowie der Lage- und Konzernberichte beauftragt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wies die AG im Rahmen dieser Tätigkeit darauf hin, dass sie ohne weitere Maßnahmen in einigen Monaten drohend zahlungsunfähig sein würde. Die AG beauftragte daraufhin einen Dritten mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts. Ende 2013 wurde dieses Sanierungskonzept vorgestellt, die Sanierungsfähigkeit der AG wurde darin bejaht. Anfang 2014 stellt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einige Rechnungen, die sodann von der AG bezahlt wurden. Die Sanierung scheitere und der eingesetzte Insolvenzverwalter verlangte die Zahlungen unter Berufung auf die Möglichkeit der Vorsatzanfechtung zurück.

BGH stoppt Berufungsgericht.

Nachdem ein Gericht zunächst im Sinne des Verwalters entschieden hatte, trat der BGH der Insolvenzanfechtung entgegen. Zwar liege eine Gläubigerbenachteiligung vor, da durch die Zahlungen das Aktivvermögen der Insolvenzschuldnerin (also der AG) verringert wurde. Jedoch setze die Vorsatzanfechtung weiterhin voraus, dass der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht handelte und der Anfechtungsgegner dies kannte. Schon die Gläubigerbenachteiligungsabsicht sei vorliegend nicht belegt. Die AG habe zum Zeitpunkt der Zahlungen zwar Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit gehabt. Im Fall einer kongruenten Deckung unter Bedingungen der drohenden Zahlungsunfähigkeit könne allein aus dieser Situation aber noch nicht gefolgert werden, dass der Schuldner mit Benachteiligungsabsicht handele. Zusätzliche Umstände, die darauf schließen lassen, dass seitens der AG eine Benachteiligungsabsicht vorliegt, seien jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere seien der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht ohnehin sicher und der Sanierungsversuch nicht von vornherein aussichtslos gewesen.

BGH: Zahlungsempfänger darf sich auf Sanierungsgutachten verlassen

Der BGH weist ergänzend darauf hin, dass auch keine Kenntnis des Anfechtungsgegners, also der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, von der Benachteiligungsabsicht des Insolvenzschuldners gegeben sei. Allein aus der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit könne nicht auf die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners geschlossen werden. Vielmehr müssten weitere Umstände vorliegen, die diese Kenntnis belegen oder auf eine solche Kenntnis schließen lassen. Zudem sei hier zu beachten, dass die Beklagte die Zahlungen aufgrund eines schlüssigen Sanierungskonzeptes erlangte. Insoweit dürfe sich der Zahlungsempfänger grundsätzlich auf schlüssige Angaben des Schuldners oder dessen beauftragten Sanierungsberaters verlassen, solange er keine (erheblichen) Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden soll oder dass der Sanierungsplan keine Aussicht auf Erfolg hat. Auch sei es nicht erforderlich, dass die umstrittene Leistung selbst im Sanierungsplan ausdrücklich vorgesehen ist, es reiche aus, wenn die Zahlung mit dem Sanierungskonzept vereinbar ist.

Mit dieser Entscheidung bestätigt der BGH die neue Ausrichtung der Vorsatzanfechtung und formt sie weiter aus. Die Entscheidung hat daher erhebliche praktische Bedeutung.

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