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Die Folgen eines unrichtigen Hinweises auf elektronische Widerspruchsübermittlung

Im April 2023 entschied das Verwaltungsgericht Weimar, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft ist, wenn die Behörde die Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung des Widerspruchs nicht oder nicht vollständig wiedergibt und deshalb die Jahresfrist für den Widerspruch gilt. Die Entscheidung zeigt, dass sich durch elektronische Kommunikationsformen zwischen Verwaltung und Bürgern neue Rechtsprobleme auftun können und dass die Anforderungen an fehlerfreie Rechtsbehelfsbelehrungen steigen.

15.07.2024
Verwaltungsrecht
1. Sachverhalt

Der Entscheidung des VG Weimar ging ein Streit um einen belastenden Verwaltungsakt voraus, dem folgende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war: „Der Widerspruch ist entweder schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde B [es folgt die Angabe einer vollständigen, genauen Postanschrift] einzulegen oder auf elektronischem Wege durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Meldung nach § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes zu erheben.“

Der Kläger ist der Auffassung, dass diese Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig und irreführend sei. Denn § 3a Abs. 2 VwVfG Thü ermögliche weitere elektronische Kommunikationsformen über die De-Mail hinaus. Für die Erhebung des Widerspruchs müsse daher die Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i. V. m. § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO gelten und nicht die übliche Monatsfrist.

Da § 3a Abs. 2 VwVfG Thü dem VwVfG des Bundes und der Rechtslage in praktisch allen anderen Ländern entspricht, sind die sich stellenden Rechtsfragen und die Entscheidung des Gerichts auf alle Länder und den Bund übertragbar.

2. Rechtslage und Lösung des VG

Nach § 58 Abs. 2 VwGO gilt für den Widerspruch abweichend zu der Monatsfrist aus § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO eine Jahresfrist, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung ausbleibt oder „unrichtig erteilt“ wurde. Was eine unrichtige Erteilung beinhaltet, ergibt sich aus § 58 I VwGO. Hiernach liegt eine unrichtige Erteilung vor, wenn die Belehrung über den Rechtsbehelf unterbleibt, wenn die Behörde oder das Gericht, an welchen der Behelf zu richten ist, nicht bezeichnet ist oder wenn die Frist nicht eingehalten wurde.

Im vorliegenden Fall liegt keines der im Gesetz enthaltenen Tatbestandsmerkmale vor. Es gab eine Rechtsmittelbelehrung, die auch die im Gesetz explizit geforderten Angaben enthielt. Von der genauen Form oder den Folgen von unvollständigen oder unrichtigen Angaben ist nirgends die Rede.

Das Verwaltungsgericht kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass die oben aufgeführte Rechtsmittelbelehrung unrichtig erteilt worden ist. Seine Argumentationslinie ist hierbei durchaus stichhaltig.

Zunächst wird durch das Gericht aufgezeigt, dass die Formulierung bezüglich der De-Mail fehlerhaft ist, da sie nicht alle Möglichkeiten der vorgesehenen elektronischen Kommunikation mit Behörden auflistet, mit der die Schriftform ersetzt werden kann. Vielmehr deckt die Rechtsbehelfsbelehrung nur eine der zahlreichen Möglichkeiten ab, die das Gesetz in § 3a Abs. 2, 4 VwVfG vorsieht.

Weiter führt das Verwaltungsgericht aus, dass die Angaben zu den elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten zwar nicht zwingend geboten sind, wenn jedoch Ausführungen hierzu vorgenommen werden, müssen diese vollständig und richtig sein. Ansonsten seien diese irreführend und könnten den Betroffenen davon abhalten, einen Rechtsbehelf in der richtigen Form einzulegen.

3. Bewertung und Folgen für die Praxis

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar zeigt deutlich, dass der elektronische Verkehr und „neue“ Kommunikationsformen eingeübte Abläufe verkomplizieren können.

Im vorliegenden Fall jedoch kann die Argumentation des Gerichts überzeugen. Dass eine fehlerhafte Belehrung einen Irrtum auslösen und dadurch unrichtig seien, ist ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (so etwa: BVerwG NVwZ 2015, 1699; BVerwG, Urteil vom 29.08.2018 – 1 C 6/18). Die Beziehung auf die elektronische Kommunikation erscheint gelungen und folgerichtig. Denn gerade im Zuge einer immer stärker werdenden Digitalisierung, auch und vor allem der Verwaltung, ist es angezeigt, den Bürger über diese „neuen“ Möglichkeiten adäquat aufzuklären. Ein Fehler hier kann durchaus zu ungewünschten Folgen führen.

Für die Praxis bedeutet dies zunächst, dass der Aufwand für eine rechtssichere Rechtsbehelfsbelehrung steigt. Jedoch dürfte sich dieser Aufwand meist in Grenzen halten, denn gerade Rechtsbehelfsbelehrungen können als Muster einer Vorlage für Bescheide angefügt werden und müssen damit in einer Behörde nur einmal richtig formuliert sein.

Bei der Formulierung ist anzuraten, einfach das Gesetz, genauer § 3a Abs. 2, 4 VwVfG (eventuell gekürzt), wiederzugeben. So kommt die Behörde ihrer Belehrungspflicht in jedem Fall nach. Nicht anzuraten ist hingegen, jeden Verweis auf elektronische Kommunikation wegzulassen. Dies würde theoretisch dem Wortlaut von § 58 I VwGO zwar entsprechen, jedoch ist nicht davon auszugehen, dass bei der steigenden Nutzung digitaler Kommunikationswege eine Nicht-Aufklärung über diese Möglichkeit als rechtssicher anzusehen ist.

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Stefan Fenzel

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