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Die vorinsolvenzliche Sanierung soll kommen – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Wirtschaft

Die Bundesregierung hat unter dem 19. September 2020 einen Gesetzesentwurf für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren vorgelegt. Das Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) soll den Vorgaben der EU aufgrund der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019 entsprechen, das Restrukturierungsverfahren in Deutschland neu ausrichten und den Folgen der Corona-Krise entgegenwirken.

23.09.2020

Den Volltext des Referentenentwurfs „Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“ finden Sie hier.

 

1. Zielstellung und Inhalt des Gesetzentwurfs

Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass sich die bislang vorgesehene Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht bewährt hat und eine eigentlich wünschenswerte vorinsolvenzliche Sanierung häufig aufgrund der derzeit rechtlich unzureichenden Rahmenbedingungen scheitert. Vor diesem Hintergrund ist es Zielsetzung des Gesetzentwurfs, ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren zu schaffen, das einerseits ein Frühwarnsystem für Unternehmen vorsieht und andererseits die Sanierung im Vorfeld einer Insolvenz erleichtert.

Dazu soll die Geschäftsführung der Unternehmung verstärkt in die Pflicht genommen werden, aber auch weiterreichende Kompetenzen gegenüber den Gesellschaftern haben, um den berechtigten Interessen der Gläubiger entgegenzukommen.

Zentrale Bedeutung erlangt dabei ein Restrukturierungsplan, der angelehnt an den Insolvenzplan im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in die Rechte von Gläubigern, aber auch der Gesellschafter eingreifen kann. Kombiniert wird diese Kompetenzausweitung durch eine zusätzliche Haftung der Geschäftsführung gegenüber der Gesellschaft.

Als weitere Zielsetzung wird die weitere Aufarbeitung der Sondersituation der Corona-Krise hervorgehoben, die zusätzlich bereits durch eine Sondergesetzgebung aufgegriffen und durch den Gesetzentwurf zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aufgrund der Corona-Pandemie bis zum 31. Dezember 2020 ergänzt wurde.

Der Gesetzentwurf enthält schon aufgrund seiner Zielrichtung wichtige Neuerungen, auf die sich Unternehmen und Unternehmensleitung einstellen müssten, wenn dieser Gesetzentwurf wie beabsichtigt relativ kurzfristig in Kraft tritt.

2. Folgen für Unternehmen

Streitbare Punkte sind im Gesetzentwurf aber schon jetzt absehbar. So ist die Kompetenzverlagerung im Verhältnis Geschäftsführung/Gesellschafter auch unter dem Gesichtspunkt des grundgesetzlichen Eigentumsschutzes zu betrachten. Auch wird die Kompetenzerweiterung und damit Verantwortungserweiterung der Geschäftsleitung durch eine erweiterte Haftung derselben ergänzt, die auch als eine Vorverlagerung der Haftung verstanden werden kann – damit wird die ohnehin nicht immer leichte Tätigkeit als Geschäftsführer nicht attraktiver macht. Zudem sind neue Strafbarkeiten für die Geschäftsleitung vorgesehen.

Aber nicht nur die Geschäftsleitung wird vermehrt in die Pflicht genommen, auch die Mitglieder von Überwachungsorganen einer Unternehmung, wie zum Beispiel Aufsichtsräte, werden mit weiteren Pflichten belastet und einer weiteren persönlichen Haftung ausgesetzt.

Der Entwurf – und damit der Einsatz der vorinsolvenzlichen Instrumentesetzt voraus, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit beim Unternehmen vorliegt. Damit begibt sich der Gesetzgeber auf „dünnes Eis“, denn bereits unter der jetzigen Gesetzeslage wird zutreffend in Frage gestellt, ob eine sachgerecht handhabbare Abgrenzung zwischen der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ (§ 18 InsO) und dem zwingenden Insolvenztatbestand der „Überschuldung“ (§ 19 InsO) immer möglich ist. Jedenfalls ergibt sich ein sehr erheblicher Überlappungsbereich, der häufig die Frage aufwerfen wird, ob nicht nur eine „drohende Zahlungsunfähigkeit“, sondern bereits eine „Überschuldung“ vorliegt. Dann ist eine vorinsolvenzliche Sanierung aber ohnehin nicht mehr möglich, die Geschäftsführung ist dann verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.

Beiden Merkmalen (sowohl der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ als auch der „Überschuldung“) liegt wesentlich eine Prognose über die Fortentwicklung der betreffenden Unternehmung zugrunde. Ob die Abgrenzung der Merkmale wirklich immer sachgerecht erfolgen kann, indem die Prognosezeiträume – wie von der Bundesregierung vorgesehen – differierend festgelegt werden, erscheint jedenfalls fraglich. Fehler dürften hier zulasten der Geschäftsführung gehen, die ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren betreiben will, eigentlich aber einen Insolvenzantrag stellen müsste.

Diese Neuausrichtung des deutschen Sanierungsrechts bedarf nicht nur einer einzelnen neuen gesetzlichen Grundlage, sondern betrifft vielfach bisherige Festlegungen in anderen Gesetzen, die ebenfalls geändert werden müssen. Das SanInsFoG ist daher als umfangreiches Artikelgesetz ausgestaltet. Betroffen ist nicht nur die Möglichkeit eines Gläubigers, Zwangsvollstreckungen in der Sanierungszeit zu betreiben oder einen Insolvenzantrag zu stellen, die Folgeänderungen treffen auch z. B. das BGB, das HGB, das AktG und das GmbHG.

Das SanInsFoG verspricht weitreichende Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben zu entfalten.

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