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Endlich: Gesetzliche Grundlage für elektronische und hybride Versammlungen bzw. Organsitzungen für Vereine und Stiftungen ist beschlossen

Der § 32 BGB (Mitgliederversammlung, Beschlussfassung) ist um einen eigenen Absatz ergänzt worden. Er ermöglicht die Beschlussfassung umfassend in modernen Kommunikationsformen ohne weitere Satzungsgrundlage. Die gesetzliche Regelung geht im Interesse der Praxis deutlich über den Gesetzentwurf aus dem Jahr 2022 hinaus. Auf Stiftungen findet die Regelung über eine Verweisungsnorm Anwendung.

21.02.2023
Stiftungs- und Verbandsrecht
1. Hintergrund

Die nach dem Auslaufen der Sonderregelung des § 5 Abs. 2 GesRuaCOVBekG von der Praxis dringlichst erwartete Ergänzung des § 32 BGB ist endlich erfolgt: Am 9. Februar 2023 hat der Bundestag das „Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht beschlossen. Damit ist es zukünftig ohne eine Satzungsänderung möglich, hybride oder rein virtuelle Organsitzungen durchzuführen.

Vereine und Stiftungen können die während der Pandemie erprobten Hybridsitzungen (§ 32 Abs. 2 S. 1 BGB) ihrer Organe nun auf gesetzlicher Grundlage fortsetzen. Darüber hinaus ist nun auch die reine Onlinesitzung (§ 32 Abs. 2 S. 1 BGB) zulässig. Der Gesetzgeber geht damit über die Gesetzentwürfe aus dem Jahr 2022 hinaus, die mit der Voraussetzung eines „Versammlungsortes“ nur die Hybridsitzung ermöglichten (d. h. Präsenzsitzung am Versammlungsort mit mindestens zwei Organmitgliedern unter Zuschaltung weiterer Mitglieder). Hingegen besteht bei rein virtuellen Sitzungen keine Möglichkeit, aber auch keine Verpflichtung der Anwesenheit am Versammlungsort zur Ausübung der Organrechte; diese übt jedes Organmitglied vielmehr dort aus, wo es sich gerade befindet.

Die neue Regelung findet über Mitgliederversammlungen (§ 32 BGB) hinaus Anwendung auf Vorstandssitzungen (§ 28 i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 BGB) von Vereinen bzw. auf Sitzungen mehrköpfiger Organe von Stiftungen (§ 86 S. 1 i. V. m. §§ 28, 32 Abs. 1 S. 1 BGB – bis 30. Juni 2023, ab dem 1. Juli 2023 über § 84b S. 1 BGB-neu).

2. Wortlaut des neuen § 32 Absatz 2 BGB

Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.

3. Öffnung für jede geeignete elektronische Kommunikationstechnik

Die Ausübung der Organrechte/Beschlussfassung ist im Wege jedweder geeigneten elektronischen Kommunikation (z. B. Telefonkonferenz, Meinungsaustausch per Internetdialog („Chat“), Abstimmung per E-Mail) möglich und nicht nur durch Bild- und Tonübertragung im Sinne einer Videokonferenz (mit dieser Beschränkung noch der frühere Gesetzentwurf). Derjenige, der die Mitgliederversammlung oder Organsitzung einberuft, kann diese so organisieren, wie es für den konkreten Verein/die konkrete Stiftung am besten geeignet ist. Insofern muss bei der Einberufung einer hybriden oder virtuellen Versammlung angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können; § 32 Abs. 2 S. 3 BGB.

4. Einberufungsbefugnis

Für die Einberufung einer Präsenz- oder einer Hybridsitzung trifft § 32 Abs. 2 S. 1 BGB keine besondere Regelung. Die Berufung obliegt dem Einberufungsorgan (z. B. Vorstand eines Vereins beruft die Mitgliederversammlung ein) bzw. dem Organvorsitzenden (z. B. Stiftungsratsvorsitzender beruft den Stiftungsrat ein).

Die Entscheidung, ob rein virtuelle Versammlungen/Sitzungen „künftig“ abgehalten werden können, obliegt dem Organ selbst; § 32 Abs. 2 S. 1 BGB. Das jeweilige Organ kann die Berufungsinstanz per Beschluss ermächtigen, künftig (auch) zu virtuellen Sitzungen zu laden (in der Regel auf der Grundlage des einfachen Mehrheitsprinzips: Mehrheit der abgegebenen Stimmen). Diese originäre Zuständigkeit soll sicherstellen, dass die Organmitglieder rechtzeitig darüber informiert werden, durch welche konkreten Mittel der elektronischen Kommunikation die virtuelle Ausübung ihrer Rechte möglich ist. Sie sollen rechtzeitig vor der Versammlung überprüfen können, ob sie die technischen Voraussetzungen für die Nutzung der in der Einladung zur Versammlung benannten elektronischen Kommunikationsmittel erfüllen oder noch weitere Vorkehrungen treffen müssen. In der Praxis ist also vor einer rein virtuellen Sitzung die Abhaltung einer präsenten oder hybriden Organsitzung oder ein Umlaufverfahren mit einem entsprechend positiven Beschluss erforderlich. Der Beschluss kann nicht in der virtuellen Sitzung selbst gefasst werden. Ebenso kann das jeweilige Organ den positiven Beschluss durch einen späteren Beschluss zurücknehmen oder ändern.

5. Inkrafttreten

Das Gesetz ist seit dem 21. März 2023 in Kraft.

6. Praxishinweise

Für Stiftungen und Vereine ist der neue § 32 Abs. 2 BGB ein gutes Signal. Die während der Pandemie erprobten modernen Kommunikationsformen können nun auf gesetzlicher Grundlage fortgeführt werden, ohne eine Satzungsänderung durchführen zu müssen. Die neuen Regelungen sind hinreichend flexibel, um Größe des Vereins bzw. Stiftung oder deren Organstrukturen gerecht zu werden.

Auch die Neuregelung ist, wie schon die bestehenden Regelungen in § 32 BGB, dispositiv: Vereine und Stiftungen können die neuen Möglichkeiten also weiterhin durch abweichende Satzungsregelungen ausschließen, einschränken, modifizieren oder erweitern. Hierzu bilden die während der Pandemie gesammelten Erfahrungen eine wertvolle Grundlage, z. B. für: Einen Vorrang der Präsenz- vor der Onlinesitzung oder umgekehrt, differenzierend nach Wahlen/relevanten Beschlussgegenständen und regelmäßigen Abstimmungen, den Vorrang oder Ausschluss bestimmter Techniken oder die generelle Zuständigkeit der Berufungsinstanz für alle Formate – präsent, virtuell oder hybrid.

Die Dokumente zum gesamten Gesetzgebungsverfahren finden Sie hier.

Für Fragen zum Thema Satzungsgestaltung oder Vorbereitung und Begleitung von Organsitzungen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Sprechen Sie uns an.

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