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Erleichterte Insolvenzanfechtung aufgrund einer mittelbaren Beteiligung

Haftungsüberlegungen führen häufig dazu, dass eine unternehmerische Tätigkeit in eine Kapitalgesellschaft ausgelagert wird. Das insoweit genutzte „Trennungsprinzip“ gilt aber nicht unbegrenzt. Zudem ergibt sich, dass bestimmte Kenntnisse den hinter einer Gesellschaft stehen Personen aufgrund bestimmter Normen zugerechnet werden. Die hier besprochene Entscheidung zeigt auf, dass dies auch für das Insolvenzrecht gilt.

Insolvenzrecht

Der Entscheidung des BGH (Urteil vom 22. Februar 2024; AZ IX ZR 106/21) lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein eingetragener Verein, deren Vereinsmitglieder Augenoptiker waren, hielt 100 % der Anteile einer GmbH. Die Mitglieder des Vorstands des eingetragenen Vereins waren zugleich Mitglieder des Beirats der GmbH. Dieser GmbH wiederum gehörte eine Gesellschaft zu 100 % (= im Folgenden Enkelgesellschaft). Über das Vermögen der Enkelgesellschaft wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Enkelgesellschaft hatte in den letzten drei Monaten vor der Insolvenzantragstellung an den Verein Geld überwiesen. Der eingesetzte Insolvenzverwalter forderte die Rückzahlung und berief sich dabei auf eine Insolvenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO. Das Berufungsgericht wies die Klage des Verwalters zurück, da nicht nachgewiesen sei, dass der Verein Kenntnis von der etwaigen Zahlungsunfähigkeit der späteren Insolvenzschuldnerin gehabt habe. Zudem greife § 130 Abs. 3 InsO vorliegend nicht.

Der BGH folgte dieser Argumentation des Berufungsgerichts nicht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei die Kenntnis des Vereins von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Enkelgesellschaft im Zeitpunkt der Überweisung vom 16. Juli 2013 gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 InsO zu vermuten. Denn der Verein sei aufgrund seiner mittelbaren Beteiligung an der Schuldnerin als nahestehende Person gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO anzusehen. Damit sei zu vermuten, dass der Verein die etwaige Zahlungsunfähigkeit kannte. Der BGH verwies darauf, dass, wenn der Schuldner eine juristische Person ist, unter anderem solche Personen als nahestehend anzusehen sind, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind. Dies erfasse auch mittelbare Beteiligungen. Diese Festlegung beruhe darauf, dass auf diese Weise beteiligte Personen besondere (also über das einfache Auskunftsrecht hinausgehende) Möglichkeiten haben, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu informieren. Dieser Grundgedanke habe auch zu gelten, wenn eine Beteiligung von mehr als 25 % durch die Zwischenschaltung einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder einer anderen Personenvereinigung erreicht wird. Für eine Abhängigkeit sei der Mehrheitsbesitz der Anteile ausreichend, auf eine Unternehmereigenschaft komme es hingegen nicht an. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben, da der Verein alleiniger Gesellschafter der GmbH und diese wiederum alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin sei. Damit greife die Norm des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO.

Ergänzend wies der BGH darauf hin, dass die Vermutung des § 130 Abs. 3 InsO sich ausschließlich auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bezieht, nicht jedoch auf die objektiven Anfechtungsvoraussetzungen. Der Insolvenzverwalter habe mithin im Fall einer entsprechenden Anfechtung insbesondere die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Rechtshandlung darzulegen und zu beweisen.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Wissenszurechnung in der Rechtsprechung eine wichtige Rolle einnimmt. Die Vermutung der §§ 130 Abs. 3, 138 InsO ist ein Beispiel dafür. Hier ist zu beachten, dass die „nahestehende Person“ sich im Fall einer juristischen Person auch auf mittelbare Beteiligungen bezieht.

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